Der Bundesrat begründet dem Parlament seine Empfehlung, unsere Initiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Und trotzdem: diesen Mittwoch hat er uns auch überrascht.
Es ist soweit: Der Bundesrat hat am Mittwoch seine vollständige Botschaft veröffentlicht, in der er seinen Entscheid vom 8. März begründet, dem Parlament zu empfehlen, unsere Initiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» ohne jegliche Form von Gegenvorschlag abzulehnen. Die Botschaft bietet endlich ein klareres Bild der Argumentationslage und anerkennt zu unserer Überraschung viele der Überzeugungen, die wir seit langem vertreten.
Nun geht die Initiative ins Parlament über. Da das eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) auch nach 10 Jahren «Vorprüfung» anscheinend nicht in der Lage ist, eine überzeugende Alternative zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems vorzuschlagen, streben wir zusammen mit verbündeten Parlamentarierinnen und Parlamentariern die Ausarbeitung eines sinnvollen Gegenvorschlags an, der die Kernpunkte der Initiative so weit wie möglich abdeckt. Details zur Botschaft, ihren Konsequenzen und warum ein Gegenvorschlag auch ein Gewinn für unsere Initiative wäre, erklären wir hier im Detail.
Zur Entscheidung «Ablehnung ohne Gegenentwurf» vom 8. März
Unsere Position bleibt seit letztem März unverändert: Wir haben es mit einem kurzsichtigen und wenig innovativen eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) zu tun, das seit Jahrzehnten den grundlegenden Fragen ausweicht und den Wunsch der Bevölkerung nach einer Reform des Dienstpflichtsystems ignoriert. Es war immer klar: es braucht unsere Initiative, damit sich was verändert. Unsere damalige vollständige Stellungnahme und Medienmitteilung zum Thema findest du hier.
Zur Botschaft
Wir sind positiv überrascht: Unsere Argumente werden immer besser verstanden – und das ist gut so.
Der Bundesrat (BR) hat begriffen, dass die Initiative das Ziel verfolgt, «das Milizsystem der Schweiz zu stärken, jungen Menschen eine Grundausbildung im gesellschaftlichen Engagement zu bieten und sicherzustellen, dass die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung einen Beitrag zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leistet, unabhängig von der Tauglichkeit für den Militärdienst oder den Schutzdienst. [...]» und dass sie «zur Entwicklung eines umfassenden Sicherheitsverständnisses, das auch den Umweltschutz einschliesst» beitragen und «gleichzeitig die Einsatzfähigkeit der Armee und des Zivilschutzes erhalten» soll.
Der BR anerkennt, dass der Service Citoyen «das Engagement der Schweizer Bürgerinnen und Bürger für die Gesellschaft stärken [könnte]. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten erlaubten es Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, ihre Fähigkeiten und Interessen in verschiedenen Sicherheitsbereichen oder Bereichen zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt einzubringen. Dies könnte insbesondere dort zu Entlastung führen, wo bereits heute Schwierigkeiten bestehen, genügend Freiwillige und Ehrenamtliche zu finden [und…] der Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau dienen»; alles Ziele, die wir mit dieser Initiative verfolgen.
Der BR gibt ebenfalls zu, dass die explizite Garantie der Sollbestand der Kriseninterventionsdienste, insbesondere der Armee und des Zivilschutzes, wie in Absatz 3 des Initiativtextes vorgesehen, dem Gesetzgeber ausreichend Spielraum lässt, um das ordnungsgemässe Funktionieren dieser Institutionen zu gewährleisten.
Schliesslich anerkennt er die Gültigkeit unserer Initiative, insbesondere, indem «Die Initiative keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts [verletzt]. Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit den zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts». Die demagogischen Argumente rund um Sklaverei und Zwangsarbeit scheinen sich also endlich aufzulösen!
Keine akzeptablen Vorschläge des VBS
Der Bundesrat erklärt, warum er keinen Gegenentwurf zur Initiative vorschlägt: Er habe die Prüfung der möglichen Alternativen noch nicht abgeschlossen und «noch keine Entscheidung über deren Umsetzung getroffen». Es handelt sich also um ein internes Terminproblem und nicht um mangelndes Interesse an den von der Initiative aufgeworfenen Fragestellungen.
Das VBS möchte nach wie vor zwei Varianten «vertieft weiterprüfen», an denen es bei der Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems interessiert ist:
Die Integrierung des Zivildienstes in den Zivilschutz («Sicherheitsdienstpflicht»), ohne weitere Änderungen. Tätigkeitsfelder des Zivildienstes verschwinden in diesem Modell.
Die Einführung einer «Unisex»-Dienstleistungspflicht, die sich an den Bedürfnissen der Armee und des Zivilschutzes orientiert («[Sicherheits]bedarfsorientierte Dienstpflicht»). Dies würde bedeuten, die Dienstpflicht auf Frauen auszuweiten, sie aber auf diejenigen zu beschränken, die zur Ergänzung der regulären Bestände der Armee und des Zivilschutzes benötigt werden. Ein Teil der Schweizer Bevölkerung würde somit mehr oder weniger zufällig vom Dienst befreit, und der zivile Ersatzdienst würde aufhören zu existieren, da er keine Daseinsberechtigung mehr hätte.
Beide Modelle gehen von einem engen Sicherheitsbegriff aus, schwächen das zivilgesellschaftlichen Engagement, verhindern moderne Dienstformen und schliessen nicht alle Bürgerinnen und Bürger ein. Der Bericht über diese Varianten ist für Ende 2024 angekündigt. Wir bleiben gespannt.
Wie es weitergeht
Die Initiative liegt nun in den Händen des Parlaments. Wir gehen davon aus, dass das Geschäft der Sicherheitspolitischen Kommission zur Vorberatung zugewiesen wird. Sollte der Bundesrat seinen Bericht zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems wie angekündigt bis Ende 2024 verabschieden, könnte die Kommission des Erstrates beide Geschäfte – unsere Initiative und die Vorschläge des VBS – gleichzeitig behandeln.
Und von unserer Seite her?
Zusammen mit unseren Verbündeten im Parlament geben wir nun alles, um das Parlament für einen vernünftigen Gegenvorschlag, der die Kernpunkte der Initiative so weit wie möglich abdeckt, zu gewinnen. Das Ziel auch da: Bürgerschaftliches Engagement sowie individuelle und kollektive Verantwortung wieder in den Mittelpunkt unseres Dienstpflichtsystems zu stellen und ein weitgefasstes Sicherheitskonzept für die Zukunft des Landes zu verwirklichen!
Warum überhaupt einen Gegenvorschlag?
Es klingt vielleicht etwas kontraintuitiv, aber mit einem Gegenvorschlag vom Parlament steigen die Chancen, eine zielführende Diskussion auf allen Ebenen rund um die Initiative führen zu können – und damit auch unsere Chancen an der Urne. Wieso? Unsere Überlegungen dazu:
Erhöhte Visibilität: Ein Gegenvorschlag signalisiert, dass das Parlament das Thema ernst nimmt. Dies zieht mehr Aufmerksamkeit auf das Thema und sorgt dafür, dass es intensiver diskutiert wird, sowohl in den Medien als auch in der Öffentlichkeit.
Verbesserte Diskussion: Ein Gegenvorschlag hebt die Debatte über die Initiative auf eine breitere und tiefere Ebene. Mit einem Gegenvorschlag können die verschiedenen Positionen klarer herausgearbeitet und diskutiert werden. Es schafft eine Grundlage für konstruktive Auseinandersetzungen und zwingt beide Seiten, ihre Argumente zu schärfen, was zu einer fundierteren und zielführenderen Diskussion führt.
Breitere Unterstützung: Wenn das Parlament einen Gegenvorschlag einbringt, wird das Thema aus verschiedenen politischen Perspektiven beleuchtet. Dies kann dazu führen, dass neue Allianzen entstehen und die Initiative von breiteren Kreisen unterstützt wird.
Höhere Akzeptanz an der Urne: Ein Gegenvorschlag bietet die Möglichkeit, zentrale Anliegen der Initiative in einer gemässigten oder konkreteren Form zu übernehmen. Das könnte dazu führen, dass auch jene Bürgerinnen und Bürger, die der ursprünglichen Initiative kritisch gegenüberstehen, eine Lösung finden, die sie an der Urne unterstützen können.
Kurz gesagt: Ein Gegenvorschlag vom Parlament kann die Debatte sachlicher machen, neue Unterstützer mobilisieren und die Chancen auf Erfolg erhöhen, weil das Thema auf mehreren Ebenen durchdacht und besprochen wird. Heist aber nicht, dass wir nicht voll und ganz für unsere eigene Initiative in der Abstimmung kämpfen werden.
Wir bleiben dran und halten dich auf dem Laufenden.
Jede und jeder kann den Unterschied machen.
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